junge Welt, 30.10.2002 Ausland Rüdiger Göbel Dialog mit Bagdad? Südafrika will sich als Vermittler in Irak-Krise betätigen. Internationale Konferenz in Berlin So mancher Friedensaktivist in Deutschland dürfte entsetzt sein. Südafrikas stellvertretender Außenminister Aziz Pahad will seine aktuelle Irak-Reise zur Eröffnung des Südafrika-Standes auf der Internationalen Handelsmesse in Bagdad zu einem Vermittlungsversuch nutzen. Im Gepäck hat der Spitzendiplomat einen Brief des südafrikanischen Staatspräsidenten Thabo Mbeki an den irakischen Staats- und Regierungschef Saddam Hussein. Darüber hinaus will er sich zu Gesprächen mit Mitgliedern der Regierung in Bagdad treffen. Im Namen der Afrikanischen Union und der Blockfreienbewegung, deren Vorsitz zur Zeit bei Südafrika liegt, müsse sein Land zur Verhinderung einer Tragödie beitragen, so der stellvertretende Außenminister. Alternativen zum drohenden US-Krieg sollen am Freitag und Sonnabend auch auf einer internationalen Konferenz in Berlin diskutiert werden. Ein politisch heterogenes Bündnis, das von der »Initiative gegen das Irak-Embargo Deutschland« über die Ärzteorganisation IPPNW, die antimilitaristische DFG-VK und ATTAC-Berlin bis hin zur Deutsch-Arabischen und Deutsch-Irakischen Gesellschaft reicht, hat renommierte Fachleute zur öffentlichen Perspektivdiskussion in das Schöneberger Rathaus eingeladen. Referieren werden unter anderem der frühere UN-Waffeninspekteur Scott Ritter, der ehemalige UN-Koordinator für Irak, Hans von Sponeck, Barbara Lochbihler von Amnesty International, der IPPNW-Ehrenvorsitzende Ulrich Gottstein sowie die Friedensforscher Jan Øberg (Transnational Foundation for Peace and Future Research), Werner Ruf (Universität Kassel) und Reinhard Mutz (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg – IFSH). Eingeladen zum Kongreß »Der Irak – Alternativen zu Embargo und Krieg« waren auch Vertreter der US-Regierung, der Bundestagsparteien sowie irakische Oppositionelle, die sich einem Dialog allerdings überwiegend entziehen. Die irakische Exilopposition begründet ihre Boykotthaltung mit der Tatsache, daß zum Dialog in Berlin auch ein Vertreter Bagdads eingeladen ist. Damit würde der Kongreß eine Rehabilitierung des »Saddam-Regimes« betreiben. Das »Mannheimer Friedensplenum« mutmaßte im Vorfeld der Konferenz, daß »die Kritik am Vorgehen der USA gegen den Irak und die Ablehnung des geplanten Krieges zu einer unkritischen Haltung gegenüber dem verbrecherischen Saddam-Regime führt«. Ähnliche Kritik brachten auch die Anhänger um US-Kriegsbefürworter Hans Branscheidt von der sogenannten Koalition für einen demokratischen Irak an. »Mit dem Kongreß wollen wir zur gesellschaftliche Debatte über eine politische Lösung des Irak-Konflikts beitragen, eine Lösung, die vor allem auch das Wohl der irakischen Bevölkerung berücksichtigt«, erklärte Konferenzinitiator Joachim Guilliard. Es sei nicht akzeptabel, daß ein zahlenmäßig eher kleiner Teil der hier lebenden Iraker und ihre deutschen Unterstützer sich anmaßen, alle anderen Iraker, die ihre Politik gegenüber dem irakischen Regime nicht mittragen würden, als Anhänger Saddam Husseins zu denunzieren. »Bei den Menschen im Irak würde es sicher auf ziemliches Unverständnis stoßen, wenn bekannt werden würde, daß Organisationen, die sich für einen demokratischen Irak einsetzen, eine Veranstaltung bekämpfen, die Alternativen zu dem sie akut bedrohenden Krieg und zum Embargo entwickeln will, dem sie – im Unterschied zu den hier lebenden Landsleuten – unmittelbar ausgesetzt sind.« * Weitere Informationen: www.irak-kongress-2002.de