Volksstimme, Österreich, 04.11.2002 Alternativen zum Krieg Von PETER NOWAK Während der Streit um eine Irak-Resolution des UNO-Sicherheitsrates aus den Schlagzeilen der Medien verschwunden ist, werden von den USA die letzten militärischen Vorbereitungen für einen Irakkrieg getroffen. Dabei sind die Gegenkräfte gegen eine solche Politik in der letzten Zeit gewachsen. Das wurde auf einen Internationalen Irak-Kongress deutlich, auf dem vergangenes Wochenende in Berlin - im Rathaus Schöneberg - Alternativen zu Embargo und Krieg diskutiert wurden. Mit dem ehemaligen UN-Waffeninspekteur im Irak, Scott Ritter, und dem ehemaligen UN-Koordinator im Irak, Hans von Sponeck, konnten die Kongress-OrganisatorInnen zwei Männer gewinnen, deren Ausführungen schon auf der Pressekonferenz am Freitagvormittag für großes Medieninteresse sorgten. Ritter, der sich als überzeugter Patriot und Bush-Wähler vorstellte, warnt vehement vor dessen Irak-Politik. "Nichts, aber auch gar nichts, rechtfertigt einen Krieg gegen den Irak." Die angebliche atomare Aufrüstung des Irak verweist Ritter ins Reich der Legende. "Ich kann bestätigen, dass seit 1996 zwischen 90 und 95 Prozent des irakischen Arsenals zerstört ist." Auch Hans von Sponeck sieht keine Anhaltspunkte für eine Gefahr aus dem Irak." Die Beweise, die von den Regierungen der USA und Großbritanniens vorgelegt wurden, sowie die Einschätzung des Status der Irak bezüglich Massenvernichtungswaffen durch das Institute for Strategic Studies (IISS) stützen in keiner Weise die Behauptung, dass vom Irak eine unmittelbare Bedrohung ausgeht, welche einen militärischen Angriff rechtfertigen würde. Beide lehnen auch die Fortführung des Embargos ab, das vor mehr als zehn Jahren gegen den Irak verhängt wurde. Professor Ulrich Gottstein, der mehrmals den Irak besucht hat, schilderte dessen Folgen für das Land auf dem Gebiet des Gesundheitssektors. "Alle Medikamente, Spritzen, Kanülen, Infusionen, Labor- und Hospitalbedarf, sowie Röntgenfilme, EKG-Papier und die nötigen Geräte fehlen. In den Kliniken sterben 30 Prozent der Erwachsenen, 70 Prozent der Kinder." Mehrere Referenten betonten, dass die Grundlagen für das Embargo längst entfallen sind. So habe der Irak spätestens mit der Ernennung von Außenminister Naji Sabri Haditi Abstand von einer konfrontativen Außenpolitik gegenüber seinen Nachbarländern genommen. Als Alternativen zu einer kriegerischen Politik wurde die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der irakischen Regierung und die Rückkehr der Waffeninspekteure in das Land gefordert. Nur so könnte auch eine Verbesserung der Menschenrechte im Irak erreicht werden. Dieses Thema wurde entgegen mancher Befürchtungen im Vorfeld auf dem Kongress nicht ausgeklammert. Schließlich war für die Auftaktdiskussion Babara Lochbihler von Amnesty International eingeladen worden. Über die Frage, wie angesichts der fortgeschrittenen Kriegsvorbereitungen noch politisch interveniert werden kann, herrschte eher Ratlosigkeit. Der ehemalige PDS-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrke machte in diesem Zusammenhang auf den wichtigen Umstand aufmerksam, dass der deutsche Kanzler Schröder nie versprochen hat, gegen einen Irak-Krieg aufzutreten, sondern nur keine deutschen Soldaten dafür zur Verfügung zu stellen.